- Eine Welt Handel AG

Leoben in der Obersteiermark ist für zwei Einrichtungen berühmt: für die in aller Welt bekannte Montanuniversität und die Gösser Brauerei, die eines der besten Biere der Steiermark produziert. Am Rande der Stadt in unmittelbarer Nähe zur Brauerei befindet sich mit der Eine Welt Handel AG ein von außen unscheinbar wirkendes Unternehmen, das aber im Bereich des fairen Handels mit Korbwaren europaweit die Nr. 1 ist. Gründer der Eine Welt Handel AG ist Karl Pirsch, der sich seit 1987 der Idee einer gerechten Welt durch fairen Handel mit Entwicklungsländern verschrieben hat.

Zu Beginn seines Engagements stand die persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema fairer Handel vor allem durch pfarrliche Aktionsgruppen und den in den 80'er Jahren bekannten Nicaragua-Kaffee. Nach einer Lehre im Baustoffhandel hat er sich kurzerhand entschlossen, seine verkäuferischen Fähigkeiten ganz für Produkte aus der "3. Welt" einzusetzen. Er kündigte seinen Job, um an sieben Tagen in der Woche bei Märkten, "3. Welt Basaren" und bei Pfarrfesten Produkte aus Entwicklungsländern zu verkaufen. Enttäuschung bei den Eltern, Unverständnis bei den Freunden, die ihm maximal sechs Monate gaben, um "wieder normal" zu werden, waren die Folge. Mit 5.000 Schilling Startkapital hat er sein Unternehmen begonnen. In den ersten eineinhalb, zwei Jahren hat er in der Nacht Zeitungen ausgetragen und untertags für den Maschinenring gearbeitet, um das mit dem Eine Welt Handel erwirtschaftete Kapital wieder in den Betrieb investieren zu können. Zwei Jahre nach dem Start war die erste Reise zu den Projektpartnern nach Bangladesh die erste Auseinandersetzung mit der Situation vor Ort einerseits Schlüsselerlebnis und andererseits Motivation für das weitere Engagement. Der Schock über die Lebensbedingungen der Menschen in einem Entwicklungsland war groß. Noch größer war für Karl Pirsch die Betroffenheit, als er am Ende seiner Reise in Kalkutta erleben musste, wie täglich rund 700 Neuankömmlinge auf der Flucht vor dem Hunger ihre Zelte am Bahnhof von Kalkutta aufschlugen. "Man sitzt dort verzweifelt und denkt sich, dass man eigentlich nichts tun kann" reflektiert Pirsch die Erfahrungen dieser ersten Reise. Wieder in Österreich hat sich die Überzeugung gefestigt, dass man den Menschen die Existenzmöglichkeit in ihren Dörfern erhalten muss. Daraus hat sich auch das Grundprinzip seines Unternehmens gefestigt: möglichst viele menschenwürdige Arbeitsplätze bei den Produzenten, bei den Kooperationspartnern zu schaffen und zu sichern.

1989 gab es mitten in der Anfangszeit auch die größte Krise der bisherigen Firmengeschichte. In einen Container mit Korbwaren aus Bangladesh war auf dem Seeweg Wasser eingetreten – die Ware kam nass und schimmlig in Europa an. Zweieinhalb Jahre nach dem Start stand die Eine Welt Handel vor dem Konkurs. Von Anfang an war für Karl Pirsch klar, dass die Produzenten, die gute Ware geliefert haben, nicht zu Schaden kommen durften; Der Prozess gegen die Spedition musste abgebrochen werden und allein die Unterstützung durch die Katholische Frauenbewegung, die vermittelte, dass Karl Pirsch Sonntag für Sonntag vor der Basilika Mariazell seine Produkte verkaufen konnte, haben ihn vor dem Konkurs gerettet.

Seit den Anfängen 1987 hat sich viel getan. In der Zwischenzeit gibt es in Österreich, Deutschland und Norditalien insgesamt siebzehn Eine Welt Läden, dreizehn davon im Franchise-System, vier als eigene Filialen. Sie zählen gemeinsam mit den Weltläden als Fachgeschäfte für fairen Handel zu den Hauptkunden, über die Korbwaren, Kunsthandwerksprodukte und Lederwaren abgesetzt werden. Aber auch der traditionelle kommerzielle Handel hat sich rasch entwickelt. Fast alle österreichischen Baumärkte führen Korbwaren aus fairem Handel, die Karl Pirsch mit seinem Team aus aller Welt importiert. Zweimal im Jahr ist die Firma gemeinsam mit ihrem Partner aus Bangladesh auf einer Messe in Frankfurt präsent und so wird Schritt für Schritt der Aktionsradius von Leoben aus erweitert. Dass es da manchmal eng wird, ist laut Karl Pirsch nicht zu vermeiden: "Unsere Produzenten nennen uns den Preis für ihre Produkte und wir versuchen sie entsprechend zu verkaufen. Wenn es zu eng wird mit der Kalkulation, dann verzichten wir lieber einmal auf einen Auftrag, als dass wir den Preisdruck an die Produzenten weitergeben!"

Karl Pirsch lebt den fairen Handel nicht nur mit seinen Produzenten, sondern auch in der Zusammenarbeit mit seinen Franchisepartnern, denen er für diese Sparte unübliche Konditionen gewährt: beim Abschluss des sehr offenen Franchisevertrages (es gibt keine Mindestabnahmemengen oder auf den Umsatz bezogene Abgaben) ist keine Franchisegebühr fällig, gemeinsam geht man auf Standortsuche und sollte es mit einem Standort nicht klappen, dann wird der Laden als Filialbetrieb zurückgekauft. "Man kann nicht den Franchisenehmer geißeln und sagen, Du bist schuld, weil Du mit uns einen Vertrag gemacht hast" so Pirsch.

Auch mit den Produzenten hat sich die Zusammenarbeit im Laufe der Zeit entwickelt. War die Eine Welt Handel vor sieben Jahren noch der einzige Kunde der neu gegründeten Ars-Handicraft in Bangladesh, so wird mittlerweile gemeinsam auf der Frankfurter Messe ausgestellt und die Ars-Handicraft hat nun dreiundzwanzig Kunden. "Damit ist auch der Druck für uns geringer geworden, den entsprechenden Absatz zu erreichen und die Familien versorgen zu können" erläutert Karl Pirsch diese Entwicklung.

Mit dem kontinuierlichen Wachstum wurde auch die Gesellschaftsform zweimal geändert. Drei Jahre hat es ab der Gründung gedauert, bis die erste Umsatzmillion (in Schilling) erwirtschaftet wurde. 1997 ist ein ehemaliger Marktleiter eines Baumarktes, der mehrmals mit Karl Pirsch in Bangladesh war, bei ihm eingestiegen und bei einem Jahresumsatz von 8 Millionen Schilling wurde eine GesmbH gegründet. 2001 wurde dann eine Aktiengesellschaft gegründet, die als Mini-AG in der Zwischenzeit 60 Aktionäre hat. Ob solch eine Rechtsform dem fairen Handel nicht widerspreche, werde Karl Pirsch sehr oft gefragt. "Wir sind in den siebzehn Jahren kontinuierlich gewachsen und eines der größten Probleme ist es, dass das Kapital gleich mitwächst. Mit der Aktiengesellschaft ist es nun möglich, dass Anleger Kapital einbringen, dass Mitarbeiter, Franchisepartner und Interessierte sich am Unternehmen und seiner Entwicklung beteiligen. Ein weiterer Vorteil ist für uns die Transparenz dieser Gesellschaftsform, die auch der Transparenz entspricht, die wir von den Produzenten bis hin zu unseren Kunden praktizieren" erläutert Karl Pirsch die Beweggründe für die Errichtung einer AG. "Als Mini-AG werden wird zur Zeit noch belächelt. Da wir noch nicht an einer Börse oder im außerbörslichen Handel gelistet sind, sind wir für den Markt der ethisch-ökologischen Geldanlagen noch nicht interessant. Von Bewertungsargenturen wir Ökoinvest werden wir aber in der Zwischenzeit bereits beobachtet." Mit einer Mindesteinlage von € 390,-- für zehn Aktien kann man sich an der Eine Welt Handel AG beteiligen.

Mit Projektpartnern in Entwicklungsländern werden Kooperationen eingegangen, die über den reinen Handel hinausgehen. So ist es Teil der Firmenphilosophie, bei kleinen Projekten, bei sogenannten "start-ups" Kapital einzubringen und Minderheits-beteili-gun-gen mit 20, maximal 30% aufzubauen. "Der Hauptanteil muss vor Ort bleiben, denn sonst kann man nicht mehr von fairem Handel sprechen. Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht und können unseren Partnern damit helfen, in Europa Fuß zu fassen und ihre Produkte zu vermarkten. Für uns sind das ein gelungenes Beispiele einer sanften Globalisierung!" erläutert Pirsch diese Beteiligungen.

Rund 80% der Importe stammen aus fünf Schwerpunktländern, und zwar aus Bangladesh, Indien, Sri Lanka, den Philippinen und Indonesien, 75% des Umsatzes werden mit Kunsthandwerksprodukten gemacht, die restlichen 25% mit Lebensmitteln. Durch den fairen Handel werden hunderten Personen Einkunftsmöglichkeiten geboten: "In Bangladesh sind es 900 Personen, die von der Korbwarenproduktion leben und rund 50 Familien, die als Jutteproduzenten tätig sind und weitere 20 Personen, die Lederwaren herstellen. Auf den Philippinen produzieren 100 Familien für uns und man darf auch die 300 Personen in Bosnien nicht vergessen, die nach der Akuthilfe durch Nachbar in Not durch das Korbflechten nun ein vernünftiges Einkommen und Arbeitsplätze haben."

Nachhaltigkeit versucht Karl Pirsch mit seiner Eine Welt Handel AG auf allen Stufen der Wertschöpfungskette zu leben: "Wir versuchen seit der ersten Stunde möglichst viele menschenwürdige Arbeitsplätze bei unseren Projektpartnern in den Entwicklungsländern zu schaffen und zu sichern. Die Produkte werden im Container auf dem Seeweg nach Hamburg und von dort per Bahn nach Leoben transportiert. Von unserem Lager verteilen wir die Produkte primär über die ÖBB weiter. 60% unseres Umsatzes machen wir mit Korbwaren, die aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugt werden und am Ende ihrer Nutzungsdauer verrotten. Damit wird auch der ökologische Kreislauf wieder geschlossen!"

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