- Trägerin des Menschenrechtspreis des Landes Steiermark

Die Südsteirerin Sonja Perkic-Krempl lebt seit einigen Jahren in Guatemala, wo sie sich für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzt. Zu ihren Aufgaben gehörten unter anderem die Koordination von Zeugenbegleitern, die Begleitung von rückkehrenden Flüchtlingen aus dem Exil und vieles mehr. Für ihr Engagement wurde sie 2003 mit dem Menschenrechtspreis des Landes Steiermark ausgezeichnet.

Die junge Südsteirerin Sonja Perkic-Krempl lebt seit Jahren in Guatemala, wo sie sich in den verschiedensten Projekten für Menschenrechte einsetzt. Anlässlich eines Heimaturlaubes im Mai 2004 erläutert sie ihr Engagement.

Sie leben seit fünf Jahren in Guatemala. Was hat Sie nach Guatemala verschlagen?

Ich bin während meines Studiums aufgrund einer Zeitungsannonce zu einem Praktikum nach Guatemala gefahren. Es wurden freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ein Flüchtlings-begleitprojekt ge-sucht und ich bin hingefahren und habe als internationale Menschenrechtsbeobachterin ein halbes Jahr in einem Projekt zur Flüchtlingsrückführung und zum Dorfaufbau mitgearbeitet - das war meine Hauptaufgabe.

Was haben Sie da gemacht?

Wir haben die Flüchtlinge auf ihrem Weg von Mexiko nach Guatemala als Beobachterinnen begleitet. Man muss sich vorstellen, zu dieser Zeit war noch Bürgerkrieg, das Militär war präsent und war natürlich dagegen, dass diese Menschen zurückgekehrt sind. Aber diese Menschen bekamen ein Abkommen von der UNO mit der Regierung, dass sie Recht auf internationale Begleitung haben und dass die Zone, wo sie sich aufhalten, neutral ist. Das heißt, theoretisch durfte das Militär diese Zone nicht betreten, praktisch ist dies aber immer wieder passiert und unsere Aufgabe war es, vor Ort zu sein und einen Hinweis darauf zu geben, dass das Militär dort nicht hinein darf.

Wieviele Menschen sind damals von Mexiko zurückgekehrt?

Es waren insgesamt mehrere tausend Menschen. In der Rückführung, an der ich teilnahm, waren es ungefähr dreihundert Familien, die Mehrzahl von ihnen sieben- bis achtköpfig.

Und diese Familien sind dann in die Dörfer zurückgekehrt, wo sie zuerst gelebt haben?

Die wenigsten konnten in die Dörfer zurückkeh-ren, in denen sie zuerst gelebt haben, weil die Dörfer zerstört oder niedergebrannt wurden oder das Land unter den Militärs oder Zivilpatrouillen aufgeteilt wurde. Oder in anderen Fällen wurden Modelldörfer vom Militär angesiedelt und die Flüchtlinge konnten deswegen nicht dorthin zurückkehren. Das heißt, bei all diesen Rückführungen, die kollektiv organisiert wurden und an denen die UNO mitarbeitete, wurden Kredite für die Landgüter mit verhandelt, damit die Menschen ihr Dorf wiederaufbauen konnten. Diese Kredite gab die Regierung unter sehr schlechten Bedingungen, aber immerhin, es gab sie.

Das heißt, die Leute wurden zuerst in den 80er Jah-ren von ihrem Land vertrieben oder mussten flüchten, hatten dann die Möglichkeit, wieder zurückzukommen, mussten Geld aufnehmen, um sich eine neue Existenz aufzubauen und haben nicht die Chance gehabt, dort, wo sie ursprünglich gelebt hatten, wieder quasi ohne Kosten anzufangen.

Die wenigsten konnten an ihren Ursprung zurückkehren. Die meisten kauften gemeinsam mit anderen Familien als Kooperativen Land und versuchten, dieses auch zu bewirtschaften. In dem Dorf, in dem ich mitarbeitete, war dies besonders schwierig, weil ein Stück vom Regenwald gekauft worden war, der ja sehr schwer urbar zu machen und zu bebauen ist. In anderen Fällen hatten die Menschen mehr Glück und konnten zum Beispiel eine Kaffeef inca erhandeln, auf der schon alles vor-handen war. Wenn sie zur Erntezeit zurückkamen, konnten sie gleich mit der Ernte beginnen. Sie hatten damit einen guten Start, um sich in ihrem neuen Dorf einzuleben.

Wann waren Sie das erste Mal in Guatemala?

Das war Anfang 1995 und ich habe ein halbes Jahr dort verbracht. Ich habe die ersten drei Monate Menschen in diesem Rückkehrerdorf begleitet, danach wurde ich gefragt, ob ich im Büro der comisiones permanentas mitarbeiten möchte, so heißen die Organisationen, die diese Rückführungen organisiert haben, und ob ich eine zweite Rückführung begleiten möchte. Die zweite Rückführung ging dann in ein anderes Dorf auch im Norden, beide sind in den Regenwald gegangen. Und ich hab dann dort mitgearbeitet und war am Schluss in dem zweiten Dorf mit dabei.

Danach sind Sie wieder nach Österreich zurückgegangen?

Dann bin ich zurück nach Österreich und hab meine Studien als Sozialarbeiterin abgeschlossen.

War Ihnen zu diesem Zeitpunkt klar, dass Sie nach Guatemala zurückkehren wollten?

Ich habe in der Zeit in Österreich bei der Guatemalasolidarität Österreich mitgearbeitet, die damals noch Guatemalainitiative hieß. Ich habe Vorträge gehalten, Artikel geschrieben, Schulvorträge zu Guatemala gemeinsam mit dieser Gruppe gemacht und hab mich eigentlich tagtäglich mit diesem Thema beschäftigt. Irgendwann war für mich klar, dass ich meine Erlebnisse in Guatemala nicht in Österreich verarbeiten kann, und dann habe ich eigentlich nur den bestmöglichen Zeit-punkt gesucht, um wieder nach Guatemala zurückkehren zu können.

Wann war dieser Zeitpunkt?

Dieser Zeitpunkt war zwischen 1998 und 1999, wo ich zuerst für mich entschieden habe zu schauen, ob die Erinnerungen für mich stimmen, denn mit der Zeit verzerren sich ja die Eindrücke. Ich bin einmal so hingefahren, um mir das anzusehen, und da war für mich klar, dass ich mit einer Arbeit zurückkehren muss. Ich hab mir dann eine Arbeit gesucht und bin 1999 nach Guatemala zurückgekehrt.

Als Sie das zweite Mal zurückgekehrt sind, was war da Ihre Aufgabe?

Ursprünglich bin ich zurückgekehrt, weil ich eine Möglichkeit hatte, in einem Frauenprojekt in San Marcos mitzuarbeiten. Als ich aber vor Ort war, da gab es organisationsintern einige Veränderungen. Ich wurde gefragt, ob ich nicht die Organisation des österreichischen Begleitprojektes übernehmen wollte, und seit damals bin ich Koordinatorin des österreichischen Begleitprojektes.

Was ist dieses österreichische Begleitprojekt, wie kann man es jemandem erklären, der sich für so etwas interessiert?

Die Grundidee ist die Beobachtung und Dokumentation der Menschenrechte. Diese Tätigkeit ist eine sehr wichtige in Krisengebieten - auch wenn in Guatemala offiziell schon Frieden herrscht, existiert er eigentlich nicht. Das heißt, Menschenrechtsverletzungen gibt es tagtäglich, und unsere Aufgabe ist es einerseits, diese aufzuzeigen, damit die Länder in der Welt Bescheid wissen. Mit diesem Wissen kann man eigentlich die Regierung in Guatemala unter Druck setzen. Und die andere Seite ist es, den Leuten zu zeigen, dass sie nicht alleine sind, dass es Menschen gibt, die sich mit ihnen solidarisieren. Und wir können durch unsere Präsenz, durch unsere internationale Präsenz mit fremden Reisepässen und anderen Hautfarben schon Aufmerksamkeit erwecken. Von außen ist sichtbar, dass es eine internationale Präsenz gibt - das ist immer noch ein gute Arbeitsform!

Wieviele Leute arbeiten in diesem Begleitprojekt mit?

Wir sind ein Konsortium aus vier Ländern, aus Schweden, Kanada, USA und Österreich, und gemeinsam haben wir zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Menschen im Einsatz.

Was machen diese Leute?

Wir haben zwei Schwerpunkte. Der eine Schwerpunkt ist das Zeugenbegleitungsprojekt. Da werden Überlebende, die zum Großteils Maya sind, auf ihrem Weg zu Gerechtigkeit begleitet. Das heißt, der Großteil sucht die Verantwortlichen für die Massaker vor Gericht zu bringen. Das ist eine Aufgabe, die sehr schwierig ist, weil es nach wie vor Mächte in Guatemala gibt, die nicht wollen, dass das ans Licht kommt, was sie gemacht haben. Und diese Zeugen begeben sich dadurch automatisch in Gefahr. Wir sind mit diesen Men-schen vor Ort, leben in ihren Dörfern und begleiten sie auf ihrem Weg. Der zweite Schwerpunkt ist die Begleitung von bedrohten Menschen und Organisationen. In Guatemala gibt es sehr starke zivile Bewegungen, die sich in NGOs organisieren und die für die Einhaltung der Menschenrechte kämpfen, wie z. B. für die Rechte der indigenen Bevölkerung, für das Recht der Freiheit, das Recht der freien Meinungsbildung, die in Gewerkschaften, Bauernbewegungen etc. engagiert sind. Vor allem die Führungskräfte dieser Organisationen stehen auf einer imaginären roten Liste. Sie haben immer wieder Probleme mit ihrer Sicherheit, sei es durch Drohungen, durch die Entführung ihrer Kinder oder die Entführung ihres Buchhalters etc. Oder es wird einfach nur ihr Auto gestohlen oder ihr Büro zerstört. Wir sind bei diesen Menschen und begleiten sie. Es ist vor allem eine moralische Unterstützung, die in diesen Krisensituationen auch sehr wichtig ist, und die Leute sind auch sehr dankbar dafür.

Wenn man versucht, sich das bildhaft vorzustellen, so sind Sie und ihre Begleiter sozusagen ein Schutzschild für die Leute, die Sie beschützen oder begleiten. Kommen Sie da nicht selber oft in Gefahr?

Wir sind eine unbewaffnete, pazifistische Bewegung. Wir stellen uns nicht dazwischen, um sozusagen Gefahr abzuschirmen. Natürlich gibt es welche, die nicht wollen, dass wir das tun, was wir tun. Wir unterstützen und ermutigen diese Menschen ja in ihrer Arbeit und wir ermöglichen es ja auch in gewisser Hinsicht, dass sie weitermachen können. Diese Menschen arbeiten dafür, dass die Geschichte Guatemalas aufgearbeitet wird, aber nicht nur bei sich zu Hause, sondern im ganzen Land, und natürlich gibt es Menschen, die uns mundtot machen wollen.

Gibt es da Bedrohungen für Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Es gab eine Zeitlang einige Probleme und es betraf uns dann auch sehr schwer. Unser Büro, das wir mit anderen Organisationen teilen, wurde im Juli 2002 zerstört. Das war schon ein klarer Hinweis darauf, dass wir beobachtet werden, dass sie sehr wohl wissen, was wir da machen, und dass sie nicht damit einverstanden sind. Ich sehe das als die Obergrenze, ich glaube nicht, dass uns noch mehr passieren könnte. Dieser Schreck hat auch gereicht. Es gibt natürlich die üblichen "Belästigungen" wie Telefonanrufe, oder dass unser Faxgerät mit irgendwelchen unnötigen Sachen "gefüttert" wird, so dass die Faxrolle aus ist oder der Telefonanrufbeantworter voll ist mit Aufnahmen, die nichts aussagen. Aber grundsätzlich hat es sich im letzten Jahr wieder ein wenig beruhigt, sodass uns wieder mehr Möglichkeit gegeben wird, unsere Arbeit fortzusetzen.

Jetzt hat es im letzten Jahr Wahlen gegeben, im Jänner 2004 hat ein neuer Präsident sein Amt angetreten, kann man sagen, dass sich da etwas geändert hat? Hat sich die Situation entspannt? Es ist ja auch der ehemalige Putschistengeneral Efrain Rios Montt zur Wahl angetreten und Gott sei Dank nicht gewählt worden. Hat sich da etwas geändert?

Wir haben jetzt Ende Mai und ich kann ganz leicht sagen, es hat sich überhaupt nichts geändert. Ich sage deswegen Ende Mai, weil doch schon ein wenig Zeit vergangen ist, wo man erkennen könnte, ob der Wille zur Veränderung da ist. In Guatemala, wo es wirklich schwerwiegende Probleme gibt, kann man in dieser kurzen Zeit nicht das Land verändern, man kann aber sehr wohl erkennen, ob der Präsident oder die zusammengestellte Regierung bereit ist, Veränderungen vorzunehmen. Und da kann ich sagen, dass der Präsident Oscar Berger zwar nach außen hin den Willen zeigt, einen guten Eindruck abzugeben, dass aber von innen her so gut wie nichts passiert ist. Die Kriminalität ist so hoch wie noch nie in Guatemala, die Situation ist kaum mehr kontrollierbar, die Menschen sind tagtäglich mit den unmöglichsten Grausamkeiten konfrontiert. Das Landproblem ist in Guatemala das größte Problem überhaupt, weil man sieht, dass es sehr viele Menschen ohne Land gibt, die deswegen an Hunger leiden. Es ist ein schwieriges Thema, das auch mit einer Landverteilung nicht lösbar ist. Da müssen gute Ideen gut verhandelt werden. Die Menschen in Guatemala, die Bauernorganisationen haben recht gute, sehr konkrete Vorschläge, doch seitens der Regierung wird darauf eigentlich nicht eingegangen.

Wenn jetzt bei uns jemand sagt, das, was Sie in Guatemala tun, das fasziniert mich, ich möchte da mitarbeiten, was wären die Voraussetzungen dafür, in Ihrer Organisation als Menschenrechtsbe-obachter mitzutun?

Also wir haben einige Grundanforderungen. Das sind natürlich einmal Spanischkenntnisse, dann bevorzugter Weise auch Lateinamerikaerfahrung, die durchaus auch nur von einem Urlaub stam-men kann. Dann haben wir ein Mindestalter von 21 Jahren, weil es ja doch eine menschliche Reife erfordert und dann haben wir eine Mindesteinsatzdauer von drei Monaten. Da es sich um einen freiwilligen Einsatz handelt, muss auch ein Eigenbudget vorhanden sein, das in Guatemala nicht allzu groß sein muss, aber wir können ja unsere Leute nicht bezahlen.

Das heißt, da gehört sehr viel Enthusiasmus, sehr viel Engagement und auch sehr viel Verzicht dazu, für die Leute, die so etwas machen wollen?

Ich glaube, bei diesen Dingen, die Sie jetzt genannt haben, ist der Verzicht das kleinste Problem. Im Einsatz selbst, und das haben mir sehr viele Freiwillige bestätigt, wird man durch die Erfahrung sehr bereichert. Es geht um den Kontakt mit einer fremden Kultur. Und alle, die nach drei Monaten den Einsatz beenden, sagen, dass sie eine wertvolle Erfahrung gemacht haben. Sicher, es ist nicht einfach, man lebt ein sehr einfaches Leben, lebt meistens ohne Wasser und Strom in einer Hütte. Jene Menschen, die sich für solch einen Einsatz entscheiden, sind schon sehr interessiert an so einer Arbeit und empfinden das nicht als den schwierigsten Punkt in ihrer Aufgabe. Die Guatemalasolidarität Wien führt drei- bis fünfmal im Jahr Vorbereitungswochenenden durch, die für einen Einsatz in Guatemala verpflichtend sind. Da kann dann die interessierte Person genau sehen, was die Inhalte der Arbeit sind, und wir müssen uns natürlich auch an-schauen, ob die Personen dafür geeignet sind.

Sie haben die Kultur erwähnt. Guatemala ist ein Land, das von zwei Kulturen geprägt ist. Zum einen die indianische Kultur, die seit Jahrhunderten dieses Land prägt, zum anderen die Kultur, die von den Europäern, von den Spaniern gebracht worden ist. Wie erlebt man als Europäerin diese Spannung in diesem Land?

Guatemala ist als Land voll mit allen Möglichkei-ten und allen Unmöglichkeiten, mit allen Widersprüchen. Diese Widersprüche sind in allen Lebenssituationen gegeben. Und wenn man das Stadt-Land-Gefüge ansieht, sind es teilweise Weltreisen, obwohl es sich manchmal nur um 25 km handelt. Die indigene Bevölkerung ist zurückgedrängt im Hochland und lebt ein sehr armes Leben mit ihrer eigenen Kultur, mit ihren eigenen Sprachen und Religionen. Wenn man dann in die Stadt fährt, ist es eher umgekehrt. Es gibt kaum Initiativen, damit diese beiden Welten miteinander verbunden werden, und das ist eigentlich sehr schade, weil ich glaube, dass beide Gruppen sich gegenseitig bereichern könnten.

Wo steht man da als Europäerin?

Das ist schwer zu sagen. Ich selber lebe natürlich in der Hauptstadt, weil es wegen meiner Arbeit nicht anders möglich ist. Ich könnte dort aber nicht überleben, wenn ich nicht meine ständigen Reisen ins Landesinnere hätte. Mein Einsatz gilt natürlich hauptsächlich der Mayabevölkerung und ich würde sagen, dass ich von den Mayadörfern und der Bevölkerung sehr viel gelernt habe. Ich habe sehr viel auch aus der Religion gelernt und das ist natürlich eine sehr wichtige Basis für meine Arbeit.

Jetzt haben Sie in Guatemala mit Menschenrechten, mit Menschenrechtsarbeit zu tun. Was bedeuten in Guatemala Menschenrechte, wie erleben Sie die Situation ganz allgemein? Bei uns wird ja sehr leicht von Menschenrechtsverletzungen gesprochen!

Der Begriff Menschenrechte ist eigentlich ein sehr weiter. In seiner Definition geht es einmal darum, dass alle Menschen das gleiche Recht haben sollten, sei es Bildung, sei es Unterkunft, dass jedes Kind eine Kindheit haben kann, medizinische Versorgung, Meinungsfreiheit etc. Dies sind Begriffe, die wir in Europa alle kennen und die wir zum Großteil auch erleben dürfen. In Guatemala ist das Problem bei den Menschenrechten, dass es teilweise um die Grundüberlebens-rechte geht, dass jemand ein Dach über dem Kopf hat, dass es genug zum Essen gibt, dass die Kinder überhaupt irgendeine Form der Schulbildung bekommen. Dass man eigentlich nicht diskriminiert werden sollte, dass die Frauen nicht diskriminiert werden sollten, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht unterdrückt werden sollten und dass sie Meinungsfreiheit haben sollten. Davon kann man in Guatemala nicht wirklich sprechen, wenn man nicht einer kleinen Bevölkerungsgruppe angehört.

Das heißt, die Mehrheit der Bevölkerung kann Menschenrechte, wie wir sie in Europa kennen, gar nicht in der Form leben, weil sie nicht erfüllt sind?

Es gibt die Grundbedingungen dafür einfach nicht.

Die Arbeit, die Sie und andere Gruppen machen, geht quasi in die Richtung der Erfüllung grundlegender Menschenrechte wie des Rechts auf freie Meinungsäußerung, des Rechts auf Versammlungsfreiheit und andere Sachen.

Ich würde sagen, unsere Arbeit geht dahin, dass wir diese Menschen bei ihrem politischen Recht unterstützen, so leben zu dürfen, wie sie es wollen. Das heißt, wir stehen nicht in der ersten Reihe, sondern bildlich gesehen in der letzten Reihe, und wir begleiten sie auf diesem Weg.

Wie ist das Wissen der Menschen in Guatemala über ihre Rechte und auch im weiteren Sinn über ihre Menschenrechte?

Wenn wir von der am meisten diskriminierten Bevölkerungsgruppe ausgehen, den Mayas, dann ist Bildung ein sehr großes Problem, weil es Bildung für sie kaum gibt, und damit existiert auch kaum politische Bildung. Als guatemaltekische Staatsbürgerin weiß ich dann nicht, was eigentlich meine Rechte, meine Menschenrechte sind. Und wenn ich diese Rechte nicht kenne, kann ich sie auch nicht einfordern.

Was passiert seitens der internationalen Staatengemeinschaft und NGOs, um den Menschen in Guatemala zu helfen, ihre Rechte zu kennen?

Es gibt in Guatemala verschiedenste und vielfältigste Initiativen, die von außen kommen und im Bildungsbereich arbeiten. Da geht es beispielsweise darum, Wissen weiterzugeben, um Bildung, damit die Menschen überhaupt wissen, was ihre Rechte sind und wie sie diese Rechte einfordern können. Die nachhaltigste Methode ist die, dass man Menschen vor Ort, die bereits natürliche Führungspersönlichkeiten sind, in ihrer Arbeit unterstützt und dann einfach das Multiplikationsprinzip anwendet, das heißt, diese Menschen geben dann in ihren Dörfern das Wissen weiter. Und es ist eigentlich die beste Form, die Men-schen "aufzuklären", denn nur wenn sie selber wissen, wohin ihr Weg geht oder gehen kann, können sie ihn auch gehen.

Sie haben jetzt vor kurzem den Menschenrechtspreis des Landes Steiermark bekommen. Was bedeutet so eine Auszeichnung für Sie?

Ich war relativ überrascht und für mich ist dies - symbolisch gesehen - sehr wichtig, weil ich gesehen hab, dass man in dem Land, in dem ich groß geworden bin, sehr wohl Bescheid weiß darüber, wie die Situation in Guatemala ist, dass die Arbeit anerkannt wird, und das motiviert, weiter zu machen.

Sie leben eigentlich in zwei Welten. Wo sehen Sie Ihre Heimat oder besser, wo sind Sie daheim?

Das ist schwer zu sagen. Ich bin Österreicherin und werde es auch immer sein und ich weiß, dass ich meinen Platz immer auch in Österreich haben werde. Das ist unabhängig davon, wieviele Jahre oder Jahrzehnte ich im Ausland verbringe. Das heißt, meine Fußsohlen sind sicher in Österreich geblieben, aber ich würde einmal sagen meine vorübergehende Heimstätte ist mein Haus in Guatemala, wo ich lebe. Und da ist auch mein soziales Netz.

Das heißt, Sie sind mehr drüben daheim?

Ich bin zur Zeit mehr daheim in Guatemala.

Was kann man Menschen raten, die sich bei uns für Menschenrechte interessieren, wie können sie sich bei uns in Österreich oder in Europa für Menschenrechte engagieren?

Es gibt in Europa sehr viele Vereine oder kleine Initiativen, die Projekte oder Organisationen in Guatemala oder in anderen Ländern unterstützen. Ich finde, am sinnvollsten ist es, dass man seine eigene Zeit ein wenig in dieses Thema investiert und eine Gruppe unterstützt.

Sehr oft wird bei uns Zweifel angemeldet, ob das, was ich da tue, Auswirkungen hat. Sind solche Zweifel berechtigt oder kann beispielsweise eine Unterschrift auf einer Amnesty-Liste oder die Teilnahme an einer Postkartenaktion etwas bewirken?

Es bewirkt sehr wohl etwas, denn ohne diese Unterschriften oder Postkartenaktionen könnten wir in Guatemala selbst nicht arbeiten. Unsere Aufgabe ist es, im Land selbst Informationen zu sammeln und weiterzugeben, aber die Reaktion darauf können wir vor Ort nicht machen. Wir brauchen ganz dringend diese Menschen in der ganzen Welt, die uns mit ihrer Unterschrift und mit ihrem Engagement unterstützen.

Danke für das Interview!

 

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