- Weiter wenig Grund zum Optimismus in Guatemala / Erschienen in "Die Presse" am 30. Dezember 2003

Oscar Berger besiegte in der Stichwahl um das Präsidentenamt Alvaro Colom. Das wichtigste Ergebnis stand schon vorher fest: Der ehemalige Putschistengeneral Efrain Rios Montt durfte nicht mehr teilnehmen.

Das Ergebnis erscheint, vor allem mit Blick auf das Ausscheiden von Efrain Rios Montt nach dem ersten Durchgang, erfreulich. Geht man in der Analyse tiefer, so ist die Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation in Guatemala gering. Die Gefahr Rios Montt wurde gebannt, ob es aber tatsächlich zu einer Aufarbeitung des 36 Jahre dauernden Bürgerkrieges kommt, ist zu bezweifeln.

Die Partei von Rios Montt, die "Republikanische Front Guatemalas FRG", liegt nach der Parlamentswahl vom November hinter dem siegreichen Wahlbündnis GANA an zweiter Stelle, sie stellt die Mehrzahl der Bürgermeister und ihre Vertrauensleute sitzen in allen wichtigen Ämtern und Einrichtungen. Der Einfluß von Rios Montt und der FRG ist somit auch in Zukunft nicht zu vernachlässigen. Damit ist auch zu fürchten, dass es zu keinem nationalen Konsens über die Verfolgung von Militärs kommt, die Anklage gegen und vor allem die Verurteilung von Rios Montt wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht erfolgt, und damit der Genozid an der indianischen Bevölkerungsmehrheit weiterhin ohne Folgen für die Täter bleibt.

Wer ist nun Berger, der es im zweiten Anlauf zum Präsidentenamt geschafft hat? Von 1991 bis 1999 war er für die "Nationale Fortschrittspartei PAN" Bürgermeister der Hauptstadt Guatemala City. Aus dieser Position heraus wagte er 1999 den Sprung auf den Präsidentensessel, scheiterte aber an Alfonso Portillo, dem Kandidaten der FRG und engen Vertrauten von Rios Montt. Im Jahr 2003 begann er für die PAN den Wahlkampf, nach einem Streit mit deren Generalsekretär gründete er im Frühjahr 2003 kurzerhand das Wahlbündnis GANA, mit dem er nun gewann.

Die Zuspitzung auf den Spitzenkandidaten und die sekundäre Bedeutung der Partei ist typisch für Guatemala, das Land Lateinamerikas mit den meisten eingetragenen Parteien: bei den Präsidentenwahlen kandidierten 12 Kandidaten, um die Kongreßsitze bewarben sich landesweit 22 Parteien. In den letzten zwanzig Jahren entstanden in Guatemala mehr als vierzig Parteien, die teilweise auch schon wieder von der Bildfläche verschwunden sind.

Selbst Anhänger Bergers werfen dem neuen Präsidenten vor, dass er zu wenig seine eigenen Ideen verfolgt und zu sehr auf seine Berater und die Personen vertraut, die ihn im Wahlkampf unterstützt haben. Laut Einschätzung von guatemaltekischen Medien fehle ihm vor allem für Krisensituationen der "Charakter". Geradezu skurril mutet ein Vorschlag an, den er im Wahlkampf machte: die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu solle Tourismusministerin werden, um Guatemala damit wieder für die Besucher aus aller Welt attraktiv zu machen.

Oscar Berger hat angekündigt, den ins Stocken geratenen Friedensprozeß in Gang zu bringen. Dadurch soll die indianische Bevölkerungsmehrheit mehr Rechte bekommen. Ob ihm dies gelingt, ist zu bezweifeln. Berger selbst gehört der Oligarchie des Landes an, in seinem Team sind vor allem Wirtschaftsvertreter, die einen neoliberalen Wirtschaftskurs steuern und viele Einrichtungen des Landes privatisieren wollen.

Menschenrechtsaktivisten kritisieren seine Kontakte zum Militär und sehen es als problematisch an, dass er mit Otto Perez Molina eine Person in seinem Mitarbeiterstab hat, dem enge Kontakte zu guatemaltekischen Geheimkräften nachgesagt werden. Diese Bestellung ist besonders kritisch, da Molina als Sicherheitskoordinator die Arbeit des Innenministeriums und des Verteidigungsministeriums koordinieren soll.

Zu den großen Problemen, die Berger lösen muß, gehören die Korruption und die Sicherheit auf der Straße. Scheitert er bei diesen beiden Fragen, so wird das Vertrauen in die guatemaltekische Politik noch weiter sinken - im ersten Wahlgang blieben in einzelnen Regionen bis zu 80% der Bevölkerung den Urnen fern. Auch die Touristen werden wohl ausbleiben - und damit eine Devisenquelle, die zur Entwicklung dieses wunderschönen Landes in Mittelamerika viel beitragen könnte.

Kaum anpacken wird er wohl die Landfrage. Der größte Teil des Landes ist im Besitz weniger Familien, und eine Landreform, die die Situation der Bauern und der Landarbeiter verbessern würde, ginge auf Kosten der Oligarchie - der Gesellschaftsschicht, aus der er stammt und die ihn auf seinem Weg zum Präsidenten unterstützt hat. Die Krise in Guatemala wird wohl weitere vier Jahre prolongiert!

 

 

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