Nachhaltige Entwicklung als Voraussetzung für eine lebenswerte und gerechte Welt
Pressemeldung zum Vortrag in der Katholischen Hochschulgemeinde Graz zum Thema `Nachhaltigkeit – Prinzip der Zukunft oder weiteres Modewort?` vom 21. Jänner 2004
„Our common future – unsere gemeinsame Zukunft“ - dieser Bericht, den die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland den Vereinten Nationen Ende der 80er-Jahre vorlegte, machte den Begriff „Nachhaltigkeit“ allgemein bekannt und definierte ihn als „eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation berücksichtigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen einzuschränken, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“. Mit dem Vortrag „Nachhaltigkeit – Prinzip der Zukunft oder weiteres Modewort?“, widmete sich der Grazer Unternehmensberater Dr. Michael Schaller gestern in der Katholischen Hochschulgemeinde Graz (KHG) ausführlich diesem Thema, das den Schwerpunkt des KHG-Bildungsprogramms im zu Ende gehenden Wintersemester gebildet hat.
Auf Einladung des Forums Glaube-Wissenschaft-Kunst der Katholischen Aktion erläuterte Schaller, dem das Thema „Nachhaltigkeit“ seit seiner Studienzeit ein Anliegen ist und der seit einem Jahr eine Agentur für Nachhaltigkeit betreibt, eingangs, was man gemeinhin unter diesem viel strapazierten Begriff versteht. Nachhaltigkeit sei gleichbedeutend mit Zukunftsfähigkeit, sie beruhe auf dem Schutz der Ökosphäre, einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung und einer gerechten Verteilung der Lebenschancen. Vieles sei seit der Veröffentlichung des Brundtland-Berichtes geschehen, sowohl auf internationaler als auch auf nationaler und lokaler Ebene, zeigte sich Schaller doch optimistisch, obwohl die Welt noch lange nicht nachhaltig sei – in diesem Zusammenhang erinnerte der Vortragende an die unzähligen Menschen, die mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen müssen (1,2 Mrd), die unterernährt sind (1,6 Mrd) oder gar an Hunger sterben (100.000 pro Tag) sowie an die 27 Mio Sklaven und Zwangsarbeiter, die Kinderarbeiter, St raßenkinder und Kindersoldaten, aber auch an die weltweit ungleiche Verteilung der Umweltbelastung. Auf Österreichebene ortet er neben „wirklich guten und zukunftsorientierten Ansätzen“ auch Programme einzelner Ministerien, die einfach mit dem „Mascherl Nachhaltigkeit“ versehen und neu veröffentlicht wurden. Als Grundprinzipien der Österreichischen Strategie für nachhaltige Entwicklung werden u.a. die Umsetzung des Vorsorgeprinzips im Hinblick auf kommende Generationen, die Erhaltung der Vielfalt, die Berücksichtigung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Komponente, Gerechtigkeit und Solidarität, die Sicherung von Qualität und Gesundheit und die Stärkung der regionalen und kommunalen Ebene genannt.
Schaller beschränkte sich aber in seinem Vortrag nicht nur auf Definitionen und Interpretationen sondern skizzierte auch „Mosaiksteine“ als Elemente, die durch entsprechende Gestaltung zu einer nachhaltigen Lebensweise beitragen können. Als solche Mosaiksteine nannte er die Bereiche Konsumverhalten, Haushalt und Wohnen, das Mobilitätsverhalten, Sparen und Investment, den Lebensraum Gemeinde, nachhaltiges Wirtschaften und die Kirchen. Qualität statt Quantität, fairer Handel, Reparieren statt Wegwerfen, die Verwendung erneuerbarer Energieträger, im Bereich Mobilität Verlangsamung statt Beschleunigung, Ausbau des Straßenwegenetzes, die Zusammenführung von Arbeits- und Wohngebieten, neue Arbeitsmodelle wie Telearbeitsplätze und Heimarbeit und bessere Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel seien nur beispielhaft für die Fülle der Anregungen genannt, die Schaller präsentierte. Dass auch die Gemeinden nicht untätig sind, zeigt die Tatsache, dass bereits 55 steirische Gemeinden einen „Agenda 21“-Prozess gestartet haben. Die „Agenda 21“ wurde 1992 in Rio de Janeiro als Aktionsprogramm für eine weltweit nachhaltige Entwicklung beschlossen und zwei Jahre später durch Maßnahmen zur Umsetzung auf lokaler Ebene (LA 21) ergänzt. Die Durchführung einer LA 21 führt erfahrungsgemäß zu einer Belebung der Gemeinde, es werden gemeinsam Entwicklungsziele für die Zukunft formuliert und die Bürger setzen sich für ihren unmittelbaren Lebensraum ein. Im Bereich Wirtschaft können Unternehmen ebenfalls einen Agendaprozess vollziehen, der in den drei Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Soziales abläuft, wobei es um Dienstleistungen, Kooperationen und Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen geht. In der Steirmark werden solche betrieblichen Agendaprozesse im Rahmen der Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit (WIN)gefördert.
Dass auch die Kirche im Bereich Nachhaltigkeit nicht untätig ist, belegt u.a. ein Arbeitskreis Nachhaltigkeit in der Katholischen Aktion Steiermark, auf dessen Initiative bereits in zahlreichen steirischen Pfarren Umweltreferenten installiert wurden. Diese Arbeit sollte weitergehen, wünscht sich Schaller, der auch für Nachhaltigkeitsarbeitskreise auf pfarrlicher Ebene plädiert, die neben den Umweltthemen einer Pfarre auch einen gemeinsamen Blick auf wirtschaftliche und soziale Fragen werfen. Für Pfarrfeste könnte man auf Anregungen der Initiative „G’scheit feiern“ des Landes Steiermark zurückgreifen. Kirche und Pfarren könnten aber auch Wegbereiter für nachhaltige Energienutzung sein, wenn sie verstärkt Biomasse oder Solaranlagen einsetzen.
Resümee des Abends: Rücksichtsloser Konsum und rücksichtslose Produktion müssen zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung zurücktreten, die ohne Verzicht nicht möglich ist. Jeder Einzelne kann und muss bereit sein, seinen Beitrag zu einer nachhaltigen Gesellschaft zu leisten, wenn wir unseren Nachkommen eine lebenswerte und gerechte Welt hinterlassen wollen.
Graz, 21.1.2004 g.l.