Lokale Agenda und 3. Welt – ein Zusammenhang? / Erschienen in den ZukunftsWege 1/2004
Nachhaltigkeit ist ein schwer verständlicher Begriff, der oftmals auch falsch verwendet wird. Richtig gebraucht wird er meist nur im Zusammenhang mit der lokalen Agenda 21. Dass Nachhaltigkeit etwas mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun hat und dass Nachhaltigkeit eine Auswirkung auf die Länder des Südens hat, ist nur wenigen Menschen bewußt.Welche Verbindung gibt es zwischen Nachhaltigkeit und Entwicklungszusammenarbeit? Ein erster Bezug ist sicherlich im Brundtland-Report "Unsere gemeinsame Zukunft" zu finden, der 1987 unter Federführung der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland erstellt wurde und nachhaltige Entwicklung als eine Entwicklung definierte, die die Bedürfnisse gegenwärtiger Generationen deckt, ohne die Fähigkeiten zukünftiger Generationen einzuschränken, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. In dieser Publikation wird der starke Zusammenhang zwischen "1. Welt" und "3. Welt" hergestellt. Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang durch die UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung herausgearbeitet, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand.
Bei der Suche nach gemeinsamen Lösungen für die Welt wurde deutlich, dass die grundlegendsten Probleme sowohl den Norden wie auch den Süden bzw. die reichen wie auch die armen Länder betreffen. Legten die Industriestaaten in Rio in der Diskussion ihren Schwerpunkt aber vor allem auf den Schutz der Umwelt, so betonten die Entwicklungsländer ihr Recht auf Entwicklung, auch wenn dies auf Kosten der Umwelt gehen sollte. Das in Rio verabschiedete Aktionsprogramm Agenda 21 legt bewusst Wert auf eine intergenerative und intragenerative Gerechtigkeit, d.h. auf Gerechtigkeit zwischen den jetzigen Generationen und zukünftigen Generationen einerseits und auf die Gerechtigkeit zwischen den Industrieländern und Entwicklungsländern andererseits. Damit wird klar, dass Nachhaltigkeit und Entwicklungszusammenarbeit etwas miteinander zu tun haben, wie sieht aber die Praxis aus? Dies soll anhand der lokalen Agenda 21 und dem persönlichen Konsum aufgezeigt werden.
Lokale Agenda als Ort gelebter Entwicklungszusammenarbeit
Im Rahmen eines Lokalen Agenda 21 Prozesses werden die Bürger einer Gemeinde eingebunden, um ihr persönliches Lebensumfeld zu gestalten. Es wird ein Gemeindeleitbild erstellt, das die Entwicklungsperspektiven der nächsten zwanzig bis dreissig Jahre niederschreibt und es werden Arbeitskreise zu Themen gebildet, die in der Gemeinde von Bedeutung sind. Bei der Zielfindung geht es zwar um die Zukunft, dass aber Aspekte der Entwicklungszusammenarbeit bzw. der 3. Welt in diesen Prozess aufgenommen werden, ist eher selten. So hat der Vergleich der lokalen Agendapraxis in Österreich und in Deutschland gezeigt, dass Österreich weit hinter Deutschland zurück steht, wo Themen der 3. Welt in den lokalen Agendaprozessen sehr wohl berücksichtigt werden. Es müssen Aktivbürger mit einem besonderen Bezug zur Entwicklungszusammenarbeit am Werk sein, damit Fragen der 3. Welt Eingang in den Agendaprozeß finden.
Die Möglichkeiten, Themen der Entwicklungszusammenarbeit zu berücksichtigen, sind aber weit gesteckt:
- Kooperation zwischen LA21-Gemeinden: LA21-Gemeinden bei uns könnten Kooperationen mit LA21-Gemeinden in den Ländern des Südens eingehen, Erfah-run-gen austauschen und die Bürger über die Lebenssituation in der jeweils anderen Gemeinde infor-mieren. Durch gegenseitige Besuche läßt sich die Partnerschaft intensivieren und es besteht die Möglichkeit, Problembewußtsein für die Menschen in anderen Teilen der Welt zu schaffen.
- Beitritt zum Klimabündnis: Gemeinden, die sich um das Klima als Teilaspekt der Zukunftsfähigkeit bemühen, können dem Klimabündnis beitreten. Damit verpflichten sie sich zum Beispiel, ein Indianerprojekt in Brasilien finanzielle zu unterstützen und dadurch zu mehr Entwicklung in einem anderen Teil der Welt beizutragen.
- Unterstützung von Entwicklungshilfeprojekten: Eine Gemeinde könnte sich aber im Rahmen des LA21-Prozesses ganz einfach vornehmen, ein Projekt in einem Land der 3. Welt zu unterstützen und damit ein bewußtes Zeichen für eine global wahrgenommene Verantwortung zu setzen.
- Thematisieren von Entwicklungszusammenarbeit: Gemeinsam beispielsweise mit der Pfarrgemeinde können Themen der Entwicklungszusammenarbeit den Bürgern durch Vorträge, "3. Welt-Sonntage" und Informationsausstellungen näher gebracht werden.
Persönlicher Lebensstil als Zeichen der Solidarität mit der 3. Welt
Solidarität ist ein Wert, der mit der persönlichen Entscheidung jedes einzelnen Menschen zu tun hat. Durch die Konsumentscheidung kann ein Zeichen für die Solidarität mit der 3. Welt gesetzt werden, zwei Beispiele sollen kurz genannt werden:
- Fair trade ist Gerechtigkeit für den Süden: Der Kauf von fairtrade Produkten unterstützt Bauern und Landarbeiter in den Ländern des Südens. Sie erhalten für ihre Arbeit einen gerechten Lohn und haben damit bessere Möglichkeiten, sich und ihre Familien zu ernähren. Fairtrade Produkte werden nicht nur in Weltläden gehandelt, sondern auch in einer Reihe von Lebensmittelketten wie Adeg, Spar und Hornig. Der höhere Preis gegenüber vergleichbaren Produkten ist ein Beitrag für mehr Gerechtigkeit und für faire Lebensbedingungen in den Ländern des Südens.
- Bio-Fleisch gegen das Verhungern in Lateinamerika: Unsere Fleischproduktion ist seit langer Zeit nicht mehr nachhaltig. Die Mastviehhaltung profitiert vor allem davon, dass Futtermittel, oftmals Sojabohnen, günstig importiert werden. Diese "cash-crops" werden in Entwicklungsländern oft nur für den Export an-ge-baut. Anbaufläche für Lebensmittel geht verloren, immer mehr Entwicklungsländer sind auf den Import von Nahrungsmitteln angewiesen, die sich ein Großteil der Bevölkerung aber nicht leisten kann. Viele Menschen, vor allem Kinder sind dadurch unterernährt. Fleisch von Tieren, die bei uns natürlich gehalten werden oder nur mit einheimischen Futtermitteln ernährt werden (z.B. Porky-Schweine oder Almö-Rinder) ist eine vernünftige Alternative zu Fleisch aus Massentierhaltung. Dadurch wird indirekt zu mehr Gerechtigkeit und besseren Lebensbedingungen in den Ländern des Südens beigetragen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass im Bereich der lokalen Agenda oft noch ein weiter Weg zu mehr globaler Gerechtigkeit zu gehen ist. Es gibt viele Möglichkeiten, die globale Komponente in lokale Agendaprozesse einzubeziehen, es muß nur damit begonnen werden.