/ in ORF Radio Ö1, Juli 2003, 6.57 bis 7.00 Uhr
Die folgenden Beiträge wurden für die ORF Sendung "Gedanken für den Tag" erstellt
- Nachhaltigkeit - ein globales Programm, Montag, 21. Juli 2003, 6.57 Uhr Ö1
- Nachhaltigkeit - ein Ende des Nord-Süd-Konfliktes ist in Sicht, Dienstag, 22. Juli 2003, 6.57 Uhr Ö1
- Nachhaltigkeit - in der Wirtschaft erfolgreich umgesetzt, Mittwoch, 23. Juli 2003, 6.57 Uhr Ö1
- Nachhaltigkeit - auf lokaler Ebene möglich, Donnerstag, 24. Juli 2003, 6.57 Uhr Ö1
- Nachhaltigkeit - eine persönliche Entscheidung, Freitag, 25. Juli 2003, 6.57 Uhr Ö1
- Nachhaltigkeit - vom Konsum zum Genießen, Samstag, 26. Juli 2003, 6.57 Uhr Ö1
Nachhaltigkeit - ein globales Programm!
Seit einigen Jahren wird immer öfter von Nachhaltigkeit gesprochen. Der Begriff stammt aus der Forstwirtschaft und bedeutet, dass jedes Jahr nur soviel Holz aus einem Wald geschlagen werden soll, wie in einem Jahr nachwächst. Oder anders ausgedrückt: dass man von den Zinsen des Waldes lebt und nicht von seinem Kapital.
Eine Erklärung der Nachhaltigkeit setzt beim Vergleich mit einem Sparbuch an: Wenn sie nur das verbrauchen, was jährlich an Zinsen anfällt, können sie theoretisch unendlich lang von diesem Sparbuch leben. Verbrauchen sie mehr als die Zinsen, wird auch das Kapital verbraucht: jedes Jahr gibt es weniger Zinsen und irgendwann ist auch das Sparbuch zur Neige gegangen.
Weltweit bekannt wurde der Begriff Nachhaltigkeit durch die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtlandt. Sie legte den Vereinten Nationen Ende der achtziger Jahre den Bericht "Our common Future - unsere gemeinsame Zukunf t" vor. In diesem Bericht definiert sie nachhaltige Entwicklung als eine Entwicklung, bei der auch zukünftige Generationen die gleichen Chancen auf die Gestaltung ihres Lebens haben wie wir sie gehabt haben.
Dem Bericht folgten seither Initiativen auf allen Ebenen: Die UNO Konferenz "Umwelt und Entwicklung" in Rio de Janeiro, die EU Konferenz von Kopenhagen und viele weitere Initiativen. Auch die österreichische Bundesregierung hat im April 2002 eine nationale Strategie zur Nachhaltigen Entwicklung beschlossen.
Parallel zu den nationalen Bemühungen gibt es immer mehr lokale Initiativen. In der Steiermark haben bereits 55 Gemeinden lokale Nachhaltigkeitsprozesse begonnen, um mit den Gemeindebewohnern die Grundlagen für eine gute Zukunft zu schaffen.
Aus der globalen Vision werden konkrete Handlungsempfehlungen für das tägliche Leben abgeleitet. Nachhaltigkeit ist mehr als ein Schlagwort, es ist die Voraussetzung für ein gerechtes Leben in Zukunft!
Nachhaltigkeit - ein Ende des Nord-Süd-Konfliktes ist in Sicht!
1992 fand in Rio de Janeiro die UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung statt, bei der über nachhaltige Entwicklung beraten und das Aktionsprogramm Agenda 21 verabschiedet wurde. Die Länder des Nordens legten bei den Beratungen den Schwerpunkt auf den Schutz der Umwelt. Die Länder des Südens betonten hingegen, dass sie ein Recht auf Entwicklung haben, auch wenn dies zu einer Zunahme der Umweltbelastung führt.
Durch diese Konferenz, vor allem aber durch die zunehmende Umweltbelastung wurde immer mehr Menschen klar, dass die Erde vernetzt ist und Umweltverschmutzung nicht an Ländergrenzen halt macht. Aber nicht nur die Umweltprobleme überschreiten Grenzen sondern auch die Ansätze zu ihrer Lösung. Beim Emissionshandel investieren Unternehmen aus den Ländern des Nordens in Umwelttechnologien in den Ländern des Südens. Mit weniger Geld kann ein größerer Nutzen erzielt werden.
Vereinzelt haben auch multinationale Konzerne das Prinzip der globalen Verantwortung begriffen. Sie beziehen ihre Rohstoffe weiterhin aus Entwicklungsländern, fördern aber dort den Aufbau der dörflichen Infrastruktur und des Schulwesens und sie gehen langfristige Lieferbeziehungen ein. In diesen Unternehmen haben die Sozial-, Sicherheits- und Umweltstandards weltweit das gleiche hohe Niveau.
Ein deutscher Automobilproduzent hat beispielsweise einen Weltbetriebsrat eingerichtet. In diesem Betriebsrat koordinieren sich die Arbeitnehmervertreter der über die ganze Welt verstreuten Werke und treten gemeinsam für die Interessen der Arbeitnehmer ein.
Nachhaltige Entwicklung führt zu einer Entschärfung des Nord-Süd-Konfliktes. Es liegt noch ein weiter Weg vor uns - es haben nun aber auch die Menschen in den Ländern des Südens vermehrt die Möglichkeit, an einer gerechten Entwicklung teil zu haben.
Nachhaltigkeit - in der Wirtschaft erfolgreich umgesetzt!
Nachhaltigkeit hat den Einzug in die Wirtschaft geschafft! Immer mehr Unternehmen setzen das Prinzip Nachhaltigkeit um und sind damit erfolgreicher als ihre Mitbewerber. Wie gehen sie dabei vor?
Nachhaltige Unternehmen berücksichtigen drei Planungsbereiche: Die Umwelt, die Wirtschaft und das soziale Umfeld, oder anders ausgedrückt: die ökologische, die ökonomische und die soziale Komponente. In allen drei Bereichen werden Ziele definiert, die auf Zukunftsfähigkeit ausgerichtet sind. Diese Ziele gehen in der Regel über den bisherigen Planungshorizont von zwei bis fünf Jahren hinaus.
Es wird gefragt, wie das Unternehmen in dreissig oder fünfzig Jahren aussehen soll und plötzlich ändern sich die Gewichtungen:
- es geht nicht mehr um geringfügige Verbesserungen am Produkt, sondern um neue und bessere Produkte, sehr oft auch um Dienstleistungen;
- es geht nicht mehr um das Sparen bei den Personalkosten sondern um die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, die für den Erfolg des Unternehmens benötigt werden;
- und es geht letztlich auch um ökologische Fragestellungen. Spätestens jetzt wird klar, dass die Berücksichtigung ökologischer Aspekte über die gesamte Lebensdauer eines Produktes dazu beiträgt, Geld zu sparen und die Umweltbelastung zu verringern.
Die fortschrittlichsten Unternehmen veröffentlichen sogenannte Nachhaltigkeitsberichte. Diese gehen über die bisherigen Umwelt- und Geschäftsberichte weit hinaus und berichten von den Aktivitäten im ökonomischen, ökologischen und sozialen Bereich. Dieses Engagement findet Beachtung - nicht nur bei den Mitarbeitern und bei der Allgemeinheit, sondern bei den Aktionären.
Parallel zum Dow Jones Index gibt es seit einigen Jahren den Dow Jones Sustainability Index. Mit diesem Index wird nachgewiesen, dass nachhaltig ausgerichtete Unternehmen deutlich erfolgreicher sind als solche, die ihr Wirtschaften noch nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet haben!
Nachhaltigkeit ist kein vorübergehendes Modewort. Es ist Grundlage des zukünftigen Erfolges!
Nachhaltigkeit - auf lokaler Ebene möglich!
Bei der UNO Konferenz für Umwelt und Entwicklung wurde 1992 die Agenda 21 als weltweites Aktionsprogramm für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Eine Grundidee der Agenda 21 ist es, dass auf lokaler Ebene Aktivitäten für mehr Zukunftsfähigkeit gesetzt werden.
Immer mehr Gemeinden starten einen Agenda 21 Prozeß. Zuerst wird ein Leitbild der Gemeinde erarbeitet, das die Wünsche der Bevölkerung über den Zeitraum einer Generation ausdrückt. Die Bewohner legen dabei fest, wie sie sich ihre Gemeinde in dreissig Jahren vorstellen. Von diesem Leitbild werden Ziele und konkrete Aktivitäten abgeleitet. Nach dem Beginn der Umsetzung wird regelmäßig überprüft, ob sich die Gemeinde auf dem selbst gewählten Weg zu mehr Zukunftsfähigkeit befindet.
Durch solche lokalen Agenda Prozesse denken die Menschen in ihrer Gemeinde gemeinsam über ihre Zukunft nach. Sie denken aber nicht nur nach, sondern sie leisten auch einen persönlichen Beitrag zur Realisierung gemeinsamer Projekte.
In der Steiermark befindet sich eines der interessantesten Agenda-Projekte in einer Tourismusgemeinde im Ennstal. Ein Lebensmittelhändler stand vor der Pensionierung und wollte sein Geschäft zusperren. Die lokalen Gewerbetreibenden befürchteten einen Abfluß der Kaufkraft und übernahmen gemeinsam das Geschäft. Über die bisherigen Produkte hinaus werden nun auch Produkte der umliegenden Landwirte verkauft.
Die lokale Agenda 21 ist nicht nur in kleinen, überschaubaren Gemeinden möglich. In Wien gibt es bereits fünf Bezirke, die einen lokalen Agenda 21 Prozeß gestartet haben und damit zu mehr Zukunftsfähigkeit in ihrem Lebensraum beitragen.
Nachhaltigkeit - eine persönliche Entscheidung
Die Grundidee der Nachhaltigkeit geht davon aus, dass unsere Kinder und Enkelkinder das Recht auf die gleichen Lebens- und Gestaltungschancen haben, wie wir sie gehabt haben. Unser Konsum- und Mobilitäts-verhalten ist aber vielfach nicht zukunftsfähig und gefährdet die Chancen unserer Nachkommen.
Um nachhaltiger zu leben, genügen oft kleine Verhaltensänderungen, die in Summe aber einiges bewirken:
- Der zeitweise Verzicht auf das Auto und der Umstieg auf das Fahrrad oder den öffentlichen Verkehr führt zu mehr Bewegung und ist entspannender als das Stehen im morgendlichen Stau.
- Den Lauf der Jahreszeit bekommen wir bewußter mit, wenn wir heimisches Obst essen, das nur kurze Transportwege zurücklegen muß. Südfrüchte und exotisches Obst werden hingegen oft tausende Kilometer mit dem Flugzeug transportiert, ehe sie auf unserem Tisch landen!
- Auch der Griff zu biologisch angebautem Gemüse aus der näheren Umgebung ist nachhaltiger als das Verspeisen einer Tiefkühlpizza, die tiefgefroren aus Norddeutschland per LKW angeliefert wird und damit zu dem Verkehr beiträgt, der uns so stört.
Einen wichtigen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung stellen die sogenannten transfair Produkte dar. Neben Tee, Kaffee, Gewürzen und Honig gibt es auch Orangensaft, Schokolade und viele weitere Produkte, die aus fairen Anbaubedingungen stammen. Bei Reisen nach Lateinamerika konnte ich erleben, welche Auswirkungen dies auf die Lebenssituation der Bauern und Landarbeiter in den Ländern des Südens hat. Durch transfair erhalten sie einen höheren Preis für ihre Produkte und sie können sich und ihre Familie besser ernähren.
Nachhaltigkeit - vom Konsum zum Genießen!
Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit ist die Materialintensität unseres Handelns einer der größten Hemmschuhe und gleichzeitig eine der größten Chancen.
Was meine ich damit? All unser Handeln ist mit dem Einsatz von Material verbunden. Um beispielsweise ein Auto zu produzieren, wird ein Vielfaches des Gewichtes an Roh- und Hilfsstoffen benötigt, die sofort wieder auf irgendeiner Halde landen und deponiert werden müssen. Ähnlich verhält es sich mit jedem Blatt Papier das wir bedrucken, mit jedem Kilo Fleisch, den wir verspeisen. Für diese nicht genützte Menge an Material wird der Begriff vom "Ökologischen Rucksack" verwendet, den jedes Produkt mit sich trägt. Es gibt bereits viele Beispiele, dass sich dieser Rucksack durch intelligente Produktgestaltung und ein geändertes Konsumverhalten radikal verkleinern läßt.
Eine Idee auf dem Weg zur Nachhaltigkeit setzt dabei an, der großen Menge an Produkten die Qualität von wenigen, dafür ausgewählten Produkten entgegen zu setzen. Dem topmodischen T-Shirt, das in der nächsten Saison schon alt aussieht, setzt man eine klassische Bluse entgegen, die über längere Zeit gut aussieht; dem schnelllebigen Modeschmuck setzt man den edlen Schmuck entgegen, der nach Jahren noch an die Kinder vererbt werden kann. Und um wieviel schöner und stilvoller wird die Handschrift, wenn wir ein paar Zeilen nicht mit dem billigen Massenkugelschreiber schreiben sondern mit der feinen Füllfeder, die wir auch nach Jahren noch gern in die Hand nehmen?
Nachhaltigkeit hat auch mit Verzicht zu tun. Mit Verzicht auf die Dinge, die schnell altern, geringen Wert haben und uns in ihrer Menge am Leben hindern. Nachhaltigkeit hat mit dem Erkennen der kleinen und großen Dinge zu tun, die uns über Jahre begleiten und uns durch die Erinnerung lange Freude machen.